Die europäische Aufsichtsbehörde ESMA schlägt Alarm wegen des Aufkommens sogenannter tokenisierter Aktien – digitaler Vermögenswerte, die den Kurs börsennotierter Unternehmen abbilden. Laut Natasha Cazenave, Direktorin der Behörde, besteht die Gefahr, dass Privatanleger glauben, echte Aktien zu besitzen, obwohl dies nicht der Fall ist. Sie äußerte sich dazu auf einer Konferenz über die Zukunft der Kapitalmärkte in Dubrovnik.
Keine Stimmrechte, keine Dividenden
Cazenave betonte, dass viele dieser Produkte keinerlei Aktionärsrechte gewähren. Es gibt also weder Stimmrechte noch Anspruch auf Dividenden. Der zugrunde liegende Wert der Token wird oft in speziellen Strukturen wie SPVs oder über Intermediäre verwahrt. Der Token selbst bildet lediglich den Aktienkurs ab, ohne tatsächliches Eigentum zu repräsentieren.
Ihrem zufolge führt das zu Verwirrung bei Anlegern, insbesondere bei Personen, die nicht genau verstehen, wie Tokenisierung funktioniert.
„Diese Instrumente ermöglichen zwar 24/7-Handel und Bruchteilseigentum, bieten aber meist keine Rechte wie traditionelle Aktien,“ so Cazenave.
Die vollständige Rede ist auf der Website der ESMA nachzulesen: Offizielle Rede von Natasha Cazenave.
Innovation mit klaren Grenzen
Die Bedenken der ESMA schließen sich früheren Warnungen der World Federation of Exchanges an, die darauf hingewiesen hatte, dass tokenisierte Aktien neue Risiken für die Marktintegrität mit sich bringen. Dennoch sieht Cazenave auch Chancen. Sie bezeichnet Tokenisierung als eine Technik mit dem Potenzial, Kapitalmärkte effizienter zu machen, Kosten zu senken und kleineren Anlegern besseren Zugang zu ermöglichen.
Allerdings bleibt die Realität hinter dem Versprechen zurück. Laut Cazenave sind die meisten Initiativen kleinvolumig, wenig liquide und häufig nur über private Platzierungen zugänglich. Auch die Interoperabilität zwischen Plattformen fehlt größtenteils, was ihrer Ansicht nach ein Hindernis für weiteres Wachstum darstellt.
Die EU setzt vorerst weiterhin auf Innovation, allerdings innerhalb klarer Rahmenbedingungen. Es gibt Raum für Experimente, zum Beispiel über das Blockchain-Pilotprojekt im Rahmen von MiCA. Gleichzeitig wird jedoch an strengeren Regeln gearbeitet, um Anleger vor intransparenten Konstrukten und Irreführung zu schützen.