Die südkoreanische Zentralbank streicht vorerst das nationale Projekt für eine digitale Zentralbankwährung. Stattdessen verlagert das Land seinen Fokus auf Stablecoins, die an den südkoreanischen Won gekoppelt sind. Die plötzliche Kursänderung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem sowohl Politik als auch Wirtschaft den Stablecoin-Markt aktiv unterstützen.
Banken klagen über Kosten und fehlenden Umsetzungsplan
Die Bank of Korea (BOK) legt den zweiten Teil des Hangang-Projekts – eine Pilotphase für eine eigene digitale Währung – vorläufig auf Eis. Die erste Phase lief von April bis Ende Juni und bezog 100.000 Bürger ein, die bei lokalen Geschäften bezahlen konnten. Die Fortsetzung wurde nun ausgesetzt, wie unter anderem Yonhap News und Chosun Daily berichten.
Laut Insidern haben die sieben beteiligten Banken insgesamt rund 350 Milliarden südkoreanische Won in Systeme, Marketing und technische Unterstützung investiert – im Durchschnitt etwa 3,7 Millionen US-Dollar pro Bank. Da die Zentralbank keinen konkreten Plan für eine landesweite Einführung präsentierte, sank die Bereitschaft zu weiteren Investitionen.
Zudem äußerten sich Banken skeptisch hinsichtlich der Frage, wie sich CBDCs zu bestehenden Stablecoins oder möglichen künftigen Einlagen-Token verhalten sollen. Die BOK erklärte, zunächst die gesetzliche Entwicklung rund um Stablecoins abwarten zu wollen, bevor weitere Schritte erfolgen.
Stablecoin-Projekte erhalten Vorrang
Inzwischen wächst in Südkorea die Unterstützung für an den Won gekoppelte Stablecoins. Der kürzlich gewählte Präsident Lee Jae Myung spricht sich aktiv für einen regulierten Stablecoin-Markt aus – mit dem Ziel, Kapitalflucht zu verhindern und Innovation zu fördern.
Acht große Banken, darunter KB Kookmin und Shinhan, bereiten gemeinsam eine won-basierte Stablecoin vor. Auch IT-Giganten wie Kakao und Naver sind über ihre Zahlungs-Apps beteiligt. Laut lokalen Medien haben sie bereits Markenschutz beantragt.
Die südkoreanische Zentralbank selbst äußert sich vorsichtig positiv. Gouverneur Lee Chang Yong erkennt den möglichen Nutzen von Stablecoins an – vorausgesetzt, die Risiken werden angemessen kontrolliert. Die BOK erklärte bereits, dass ihre Einlagen-Token technisch kaum von Stablecoins abweichen, doch das Fehlen eines klaren Fahrplans erschwert die Weiterentwicklung.
Der südkoreanische Markt zählt zu den größten für den Handel mit Kryptowährungen weltweit. Über 20 % der Bevölkerung besitzen Kryptowährungen, bei den Jüngeren liegt der Anteil noch höher. Mit Rückenwind aus der Politik stehen die Chancen gut, dass Stablecoins in Südkorea schneller Realität werden als eine digitale Zentralbankwährung.